Der letzte Soulfoodie-Beitrag zum Thema Sauerteig ist rund ein Jahr her, und seit dem hat sich viel getan. Ich habe gebacken, mehrere Sauerteige ausgetestet und nach und nach gelernt, wie ich den Teig am besten pflege, ihn über Backpausen rette und wiederbelebe.
Die Basics
Sauerteig braucht Hygiene. Ich topfe ihn nach dem Füttern um in ein neues, ausgekochtes Glas und ich schaue auch, dass die obere Glaswandung sauber ist. Wenn sich wässriger Fusel bildet oder wenn die Oberfläche austrocknet und grau wird, schabe ich das großzügig ab und entsorge es.
- Wenn der Sauerteig schlafen soll, kommt er in den Kühlschrank.
- Wenn der Sauerteig arbeiten soll, wird er gefüttert und kommt in Heizungsnähe. Er steht dann bei mir in einem Schüsselchen, falls er überläuft
Das Füttern des Sauerteigs
Das Füttern läuft so ab, dass ich erst einmal alles Unschöne vom Sauerteig entferne, dann den Rest in ein Schüsselchen gebe, wiege, und das Gewicht in gleichen Teilen mit Mehl und Wasser auffüttere. Wenn ich 60 g Sauerteig rüberrette, kommen 60 g Mehl und 60 g Wasser hinzu. Dann wird der Teig im Schüsselchen gut durchgerührt und kommt in ein neues Glas und erstmal ins Warme.
Merke: Wer den gefütterten Sauerteig sofort wieder in den Kühlschrank stellt, begünstigt die Milchsäurebildung, schadet aber den Hefen. Das Resultat ist ein zwar relativ gesunder, aber sehr saurer Sauerteig mit wenig Triebpotenzial, der extrem nach Nagellackentferner, sprich Aceton riecht.
Die beste Temperatur für den Sauerteig
Hefe wünscht sich 35° Celsius.
Da zuviel Hitze aber die Hefe tötet, gibt man besser ein bisschen Sicherheit dazu und bringt den Sauerteig im Kern auf 28 bis 32°C. Das kann in Heizungsnähe sein, im warmen Badezimmer, in einer Styroporbox mit Wärmflasche, im Ofen, in der Joghurt-Maschine. Wer ein Fleischthermometer mit Kabel hat, misst die Temperatur im Sauerteig und geht so auf Nummer Sicher. Weniger Temperatur schadet wenig, zu viel Temperatur schadet viel.
Merke: So ein Thermometer hilft nicht nur dem Sauerteig, sondern ist auch sehr nützlich beim Brotbacken, um zu schauen, ob es durch ist (ob es im Kern um die 98°C bis 100°C hat).
Einen schlafenden Sauerteig wecken
Wir backen gerade eher wenig, also muss der Sauerteig öfters auch mal mal zwei Wochen im Kühlschrank ohne mein Zutun vor sich hin vegetieren. Und dann, wenn er zum Einsatz kommt, hat er keiner Power mehr. Keine Nahrung, kein Training = keine Power. Das erkennt man daran, dass er auch nach der Fütterung und im Warmen nicht richtig aufgeht (eigentlich sollte er sich verdoppeln). Wenn er zu wenig Power hat, muss man schlicht vorgehen wie in seinen ersten vier Tagen:
- Erster Tag: Alles weg bis auf 50g. Diese in ein neues, sauberes Glas geben. Dann 50g Wasser + 50g Mehl dazu. Warmstellen (siehe oben).
- Zweiter Tag: dito
- Dritter Tag: dito, bzw. schauen, wie er sich verhält, wahrscheinlich ist er jetzt schon wieder fit.
Er ist dann wieder fit, wenn er sich über Nacht im Volumen verdoppelt (ein Ringgummi am Glas zeigt den Ausgangszustand). Das ist übrigens auch der ideale Moment für den Einsatz. Wenn er nach der Verdopplung zusammengefallen ist (erkennbar an den Teigrändern am Glas), kann man ihn noch immer direkt zum Backen nutzen oder auch in den Kühlschrank geben.
Und dann ist eine gute Idee, den Sauerteig immer mal wieder zu riechen und zu schmecken. So bekommt man den besten Eindruck, ob er gesund ist und wie sauer er ist. Viel Milchsäure tötet zwar die Schimmelpilze und andere Schädlinge ab (und hilft auch dem Brotgeschmack), schadet aber den wilden Hefen. Sauerteig muss ganz einfach gut schmecken. Sauer darf er natürlich sein, dito auch bananig, brotig, bierig. Nie darf er aber irgendwie schlecht oder gar nach Schimmel schmecken.
Den Sauerteig auf neues Mehl umstellen
Vor vielen Monaten habe ich einen Sauerteig aus Roggenvollkornmehl angesetzt. Das hat prima funktioniert und die Brote sind gut gelungen. Dann war das Mehl alle, aber es war noch Einkornmehl da, dann Dinkelmehl. Aktuell wird er mit Weizenvollkornmehl versorgt, und es scheint ihm zu schmecken. Er gedeiht.
Was ich da mache, ist nicht ganz Sinn der Sache, denn es verändert den Geschmack der Brote. Die Botschaft ist aber, dass der Sauerteig anspruchslos ist. Wenn die wilden Hefen und die Milchsäurebakterien einmal gezüchtet sind, dann isst der Sauerteig anscheinend so gut wie alles, was er bekommt. Das muss dann auch kein Vollkornmehl in Bioqualität mehr sein.
Vollkorn in Bioqualität braucht es nur ganz am Anfang, weil nur die nicht geschwefelten Bioprodukte ebenjene wilden Hefen noch mitbringen. Ein E-Mail-Kontakt zu Alnatura hat mir übrigens bestätigt, dass die Mehle dort nicht geschwefelt werden und sehr gut für Sauerteig taugen. Auf der Website der Firma finden sich dazu auch Anleitungen.
Wertvolle Quellen
Die Bibel für alle Sauerteigfans ist das legendäre Tartine Bread von Chad Robertson – zum einen wegen der sehr detaillierten Rezepte, zum anderen, weil die Fotos eine Augenweide sind und das Buch einfach Appetit macht. Es ist mittlerweile auch in einer deutschen Übersetzung erhältlich, allerdings habe ich kürzlich gelesen, dass dort die Rezepte verändert wurden. Da ist also Obacht geboten.
Zum Tartine Bread und auch ganz allgemein zum Sauerteig gibt es Facebook-Gruppen, wo man seine Fragen posten kann („Recipes from Tartine Bread“, „Backen mit Sauerteig…“).
Meine Biomehle kaufe ich im Alnatura-Laden, von der Hausmarke Alnatura. Hier wird das Roggenvollkornmehl sogar von Demeter geliefert – nach meiner Erfahrung eine Garantie für gute Qualität.
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