Wenn Ihr Sauerteig, statt Hefeteig verwendet, wird das Brot bekömmlicher, gesünder und schmeckt besser. Hier seht Ihr, was bei mir funktioniert hat und worauf es ankommt. So könnt Ihr direkt durchstarten! Enjoy!
Eine kurze Geschichte der Hefe
„Lasst uns eine Hexe verbrennen!“
Das war im Mittelalter das probate Mittel, wenn das Bier sauer wurde oder das Brot nicht aufgegangen ist, und scheinbar hat das auch häufig geholfen. Heutzutage wissen wir, dass das Zusammenspiel zwischen Hexenverbrennung und besserem Bier reiner Zufall war. Wir wissen jetzt, was Bier und Brot gären, treiben und gelingen lässt: es ist die Hefe!
Seit der Entdeckung von Louis Pasteur wird die Hefe auch industriell gezüchtet, und so können wir in jedem Supermarkt Hefewürfel kaufen.
Trivia am Rande: Wieso ist der Hefewürfel immer 42 g schwer? Weil man herausgefunden hat, dass 42 g Frischhefe nach althergebrachter Teigzubereitung für 1 kg Mehl reichen. Gemeint sind Teige für Hefezöpfe und ähnliches mit kurzer Gehzeit und ohne lange, kalte Führung (sonst würde man viel weniger brauchen).
Die krumme Zahl ergibt sich aus der Teilung eines 500g-Hefeblocks in zwölf Portionen. Getrocknete Hefe ist in Tütchen zu 7 g erhältlich, wobei zwei Tütchen Trockenhefe einen Frischhefewürfel ersetzen.
Solch ein Hefewürfel enthält eine einzelne, speziell gezüchtete Hefekultur, die Teige besonders schnell und zuverlässig aufgehen lässt.
Man kann aber auch heute noch auf die natürlich vorkommenden, wilden Hefen im Verbund mit Milchsäurebakterien setzen. Beide sitzen außen am Dörrobst oder auch außen am Getreidekorn. Gezüchtet und vermehrt werden sie, indem man mit dem Getreide einen Vorteig ansetzt und im Warmen gedeihen lässt – schon hat man einen Sauerteig.
Sauerteig selbst ansetzen
Einen Sauerteigstarter kann man kaufen, sich schenken lassen oder auch schlicht selbst ansetzen.
Mehl für den Starter
Für den eigenen Sauerteigansatz taugt am besten ein unbehandeltes Roggenvollkornmehl in Bioqualität. Nur bei solchen Mehlen ist gewährleistet, dass die an der Schale des Korns lebende Mikroorganismen noch vorhanden sind. Die Mehlsorte des Starters ist unabhängig vom späteren Brot. Man kann also problemlos auch mir Roggenstarter Weizenbrote backen.
Das passende Gefäß
Als erste Wohnung für den Starter ist ein 1-Liter-Glasgefäß am besten geeignet. Es sollte einen Deckel besitzen, der aber nicht dicht schließt – ein Einmachglas ohne Gummidichtung oder ein Schraubglas ohne Deckeldichtung taugt gut. Zur Sicherheit kann man das Gläschen auch mit Folie oder Pergament und mit Gummiband verschließen.
Sauberkeit ist wichtig, daher sollte man das Glas und den Deckel vor der ersten Verwendung einmal kochend heiß ausspülen. Dann fehlt nur noch ein Ringgummi oder eine Schnur für den Füllstand, und schon habt Ihr den Reifezustand des Starters immer gut im Blick
Der Entstehungsprozess über vier Tage
Merkt Euch 20+20 Gramm, merkt Euch verdoppeln und merkt Euch vier Tage, das wars schon. Den Rest erzählt Euch das Video.
Im Video wird der Sauerteig mittels Styroporkiste und Wärmflasche warmgehalten. Bei mir steht er angelehnt an den WLAN-Router (WLAN-Router produzieren zuverlässig viel Abwärme). Vorsicht aber: Schützt den Router. Stellt das Glas nicht einfach auf den WLAN-Router, denn wenn der Teig ausbüxt, läuft er in die Kühlschlitze. Das ist mir schon passiert und hat meine edle Fritzbox 7490 geschrottet. :.-(
Am Ende des vierten Tages ist der Sauerteig fertig. Er sollte säuerlich riechen, Blasen zeigen und sein Volumen im Verlauf des vierten Tages etwa verdoppelt haben (eventuell ist er auch schon wieder eingefallen, aber auch das ist in Ordnung).
Wenn er Schimmel zeigt oder unangenehm nach Fäulnis riecht, solltet Ihr eine Hexe verbrennen und von vorne anfangen. Wenn nicht, dann zweigt rund 50 g für die Zukunft ab und gebt sie in ein Gläschen und in den Kühlschrank. Mit dem Rest könnt Ihr jetzt schon das erste Brot backen!
Mit Sauerteig backen
Wenn Ihr nun mit Eurem Sauerteig backen möchtet, reicht Euch die Angabe Faktor 5 bis 7. Ihr ersetzt also das im Rezept geforderte Gewicht an Frischhefe durch das 5– bis 7-fache Gewicht an Sauerteig. Aus 10 g Hefe werden 50 g Sauerteig.
Die Details
Ob Faktor 5 oder eher Faktor 7 hängt davon ab, wie reif und alt und kräftig Euer Sauerteig ist und wann er zuletzt gefüttert wurde – man sollte nach dem Füttern zwei Tage abwarten, damit er zu Kräften kommt. Weiterhin eignen sich für den etwas triebschwächeren Sauerteig besonders Rezepte mit Vorteig, beispielsweise auf Soulfoodie das Pizzarezept mit Poolish.
Ihr wollt ein beliebiges Rezept ohne Poolish auf Sauerteig anpassen? Kein Problem. Entnehmt dem Rezept einfach für den Vorteig ein Drittel des Mehles und das gleiche Gewicht an Wasser für den Poolish und ersetzt die Hefe durch die fünffache Menge Sauerteig. Alternativ lasst Ihr das Rezept, wie es ist, und gebt den Sauerteig zusätzlich dazu. Dann habt Ihr die Treibkraft der Hefe und den guten Geschmack vom Sauerteig.
Ein Beispiel
Als Beispiel seht Ihr unten ein Rezept für Baguettes. Es hat als Basis das Pizzarezept für Pizza mit Poolish, ist aber angepasst auf Sauerteig und Baguettemehl. Weizenbrotrezepte sind eh immer ähnlich und unterscheiden sich hauptsächlich in der Hydration.
Immer Sauerteig zur Hand
Euer Sauerteigstarter hält im Kühlschrank bei guter Pflege theoretisch ewig. Man muss ihn nur einmal in der Woche füttern und dabei auch „umtopfen“ (er überlebt zur Not auch zwei Wochen ohne).
Entnehmt 20 g Sauerteig vom alten Glas, gebt sie in ein ausgekochtes, neues Glas und gebt 50 g Mehl und 50 g lauwarmes Wasser dazu. Dann lasst das acht Stunden warm im Raum gehen, dann geht es wieder ab in den Kühlschrank. Der Umzug in ein neues Glas ist wichtig, damit der Sauerteig immer in sauberer Umgebung ist und keinen Schimmel ansetzt.
Was macht man mit dem Rest im alten Glas? Man kann ihn in einem Brot verbacken, pur als würzigen kleinen Fladen backen oder auch schlicht entsorgen.
–– Soulfoodie, Februar 2022
Baguettes mit Sauerteig
Kochutensilien
- 1 Baguette-Backblech aus Stahl, evtl. teflonbeschichtet
- 1 klassische Rasierklinge
- 1 flache Stahlschale oder kleines Blech, mit Schotter gefüllt, zum anschwaden
- 1 Backofenthermometer, optional
Zutaten
- 400 g Wasser (kaltes Leitungswasser)
- 40 g Sauerteigstarter (Roggensauerteig)
- 600 g Mehl T65 (Baguettemehl) oder Mehl 550
- 10 g Backmalz, enzymaktiv
- 10 g Salz
Zubereitung
- Für den PoolishHälfte des Wassers nehmen, hierin den Sauerteig auflösen. Gleichviel Mehl wie Wasser nehmen, gut verrühren, 1h im Raum gehen lassen, dann 16–24h abgedeckt in den Kühlschrank geben. Hier: 200 g Wasser, 200 g Mehl, rund 40 g Sauerteigstarter.
- Poolish aus dem Kühlschrank nehmen, 1h auf Raumtemperatur bringen. Derweil schon einmal restliches Mehl, Wasser (+ Salz, im Wasser lösen) und Malz mischen.
- Poolish und restlichen Teig mischen, abgedeckt 15 min ruhen lassen.
- Teig bleibt im Raum: Hände nassmachen. Teig gefühlvoll ziehen, darf nicht reißen (4x, Stretch & Fold). Dies alle 20 min wiederholen, 3x.
- Teig bemehlen, auf bemehlte Arbeitsfläche geben, vier Portionen abstechen und in Form bringen (Haut von vier Seiten jeweils hochziehen, drüber). 1h abgedeckt gehen lassen.
- Teiglinge einzeln zur Hand nehmen, vorsichtig auf Baguetteform bringen. Dafür vorsichtig etwas rollen und dabei von den langen Seiten die Außenhaut hochziehen und darüberlegen. Küchenhandtuch aufs Baguettebackblech, einmehlen, Teiglinge drauf, abdecken, min. 1–2h gehen lassen (sie sollen sich im Volumen verdoppeln.).
- Wenn vorhanden: Pizzastein oder Pizzastahl in den Ofen schieben. Dann den Ofen vorheizen auf 250 Grad O/U. Schale mit dem Schotter unten rein.
- Teiglinge auf Pizzablech oder Stück Karton abrollen, zur Seite. Handtuch weg, Teiglinge wieder aufs Baguetteblech, Naht nach oben. Teiglinge auf der Oberseite etwas einmehlen, dann abpinseln. Dann mit der Rasierklinge entlang der Naht oder leicht schräg dazu einschneiden.
- Blech mit den Baguettes in den Ofen geben und sofort 1/2 Tasse Wasser zum Anschwaden auf den Schotter geben. 10 Minuten backen, dann Schotterblech entnehmen, Temperatur runter auf 220 Grad. Weiter backen. Insgesamt 30–35 Minuten backen – die Kerntemperatur im Brot sollte am Ende rund 95 Grad sein. Wenn man mit dem Knöchel ans Brot klopft, muss es hohl klingen.
- Brote rausnehmen und auf Gitterrost abkühlen lassen.
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